Haushaltsrede Bündnis 90/Die Grünen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr verehrte Damen und Herren,
die Wirtschaft boomt – und die Zinsen und die Arbeitslosigkeit sind niedrig und dennoch schauen wir zurzeit nicht in ein rosiges Haushaltsjahr. Durch die Steuerrückzahlung in diesem Jahr inkl. der Haushaltssperre im Herbst ist deutlich geworden, wie schnell unser städtischer Haushalt ins Wanken gerät.
Für diese spezifische Haushaltssituation des kommenden Jahres können wir jedoch niemanden verantwortlich machen. Aber es ist nicht die diesjährige Situation der Gewerbesteuerrückerstattung , die uns für die Zukunft Sorgen macht. Wie allgemein bekannt, erhöhten sich in den letzten Jahren kontinuierlich unsere Kassenkredite – Kredite für allgemeine Verwaltungsausgaben. Dies ist ein schlechtes Signal – stehen den Kassenkrediten für allgemeine Verwaltungsaufgaben doch keine Sachwerte gegenüber, für die sie aufgenommen wurden.
Hier liegt ein strukturelles Finanzproblem vor, dem wir uns intensiv widmen müssen. Und dennoch haben wir heute die Aufgabe, gemeinsam darauf acht zu geben, dass wir nicht in die Haushaltssicherung geraten – wenn wir für Soest den Gestaltungswillen nicht aufgeben wollen.
Dies hat auch unsere Entscheidungen und Forderungen zum HH 2015 geprägt. Wir sind bei finanziellen Forderungen zurückhaltend geblieben und haben uns weitestgehend auf abarbeitbare Ziele konzentriert und darauf, dass trotz sprudelnder Steuer nicht ein Sparen bei dem Teil der Gesellschaft ansetzt, der der schwächste Teil der Gesellschaft ist.
Den Haushalt auf sicherere Füße stellen, das ist eine andere Geschichte. Neben dem Haushalt warten aber zeitgleich andere wichtige Aufgaben der Zukunft auf die Stadt und damit auf die Politik:
- Mit dem Beschluss zur Einrichtung einer Sekundarschule haben wir neue Weichen in der Schulpolitik gestellt. Damit sind wir einen Schritt weiter zu einem längeren gemeinsamen Lernen und einem Ganztagsschulangebot. Ein Beschluss allein hierzu reicht nicht. Jetzt gilt es, dieser neuen Schule einen guten Platz in der Schullandschaft einzuräumen, indem wir diese Schule unterstützen und alle gemeinsam für einen guten Start sorgen. Und wir müssen die Zukunft dieser Schüler sichern, indem wir ihnen alle Möglichkeiten eröffnen, nach Verlassen der Schule die gewünschte weitere Bildung – bis hin zum Abitur – zu ermöglichen – ob an einem Gymnasium oder der Gesamtschule. Dazu benötigen wir aber auch eine Erweiterung der Oberstufe der Gesamtschule. Diese Entscheidung zur Schulpolitik wird nicht die letzte Entscheidung zur Schullandschaftsveränderung sein. Wenn zukünftig weniger Kinder die Grundschulen besuchen, werden wir uns auch um die Veränderung unserer Grundschulen kümmern müssen. Die veränderte Umsetzung der Verwaltungsverordnung für die Aufnahme von Kindern an Konfessionsschulen hat zwar formal den Zugang zur konfessionsgebundenen Schule erleichtert – dennoch müssen Eltern erklären, dass ihr Kind in der entsprechenden Konfession erzogen werden soll. Ob wir bei einer immer bunter werdenden Gesellschaft und möglicherweise einer geringeren Anzahl an Grundschulen noch zwei konfessionsgebundene Grundschulen vorhalten wollen oder besser können, wird ebenfalls im nächsten Jahr und in Folgejahren Diskussionspunkt sein. Ob das nun gefällt oder nicht.
- Ebenfalls müssen wir das Thema Inklusion intensiv bearbeiten – einmal im Bereich der Schulen – insbesondere nachdem wir dabei sind, für den Standort Soest zukünftig nur noch eine Förderschule Lernen zur Verfügung zu haben. Und wir müssen Soest beim Thema Inklusion ganzheitlich denken – Inklusion ist nicht nur Thema bei Schule oder Behinderung – auch beim Thema Migration und Asylbewerber. Und auch für eine immer älter werdende Gesellschaft müssen wir dieses Thema ganzheitlich bearbeiten, wenn wir es ernst nehmen.
- Die Veränderung des Ausschusses ASB in Ausschuss für Bürgeranliegen und Soziales hat unerwartetermaßen scheinbar eine Entwicklungsschub verursacht. Bürgerbeteiligung wird ernster genommen. So wird ein Arbeitskreis sich zeitnah diesem Thema widmen. Diese formale Veränderung veränderte bereits laufende Prozesse. So wurden beispielsweise mit dem Wallentwicklungskonzept ein hervorragender Beteiligungsprozess gestartet. Und auch bei anderen Bürgerbeteiligungsaktionen in der Innenstadt versucht die Verwaltung eine andere Form der Bürgerbeteiligung. Hierbei geht es darum, Bürger zu beteiligen bei den Diskussionen, ihre Anregungen und Bedenken zu verschiedenen Themen und Veränderungen sollen gehört werden. Sie sollen ihre Bedenken äußern können – und dies nicht nur in einem schriftlichen formalen Beteiligungsverfahren. Das heißt selbstverständlich nicht, dass man es allen Bürgern recht machen kann – das geht auch nicht – aber alle können gehört werden.
- Der Klimaschutz ist eine existentielle Zukunftsaufgabe! Selbst die Bundesregierung hat dies erkannt. Und auch in Soest scheint dieses Thema nur bei wenigen Ausnahmen auf Widerspruch zu stoßen. Die Mitwirkung eines Klimamanagers scheint breite Zustimmung zu finden. Der Vorschlag zur Einrichtung einer solchen Stelle zeigt, dass wir in Soest, insbesondere im Rahmen der Anstrengungen des Klimaschutzprojektes EEA, unseren Beitrag leisten wollen zur dringend notwendigen Klimaverbesserung – und nicht nur, damit auch die Bundesregierung ihren Klimapflichten im Rahmen der EU-vereinbarungen – zwar verspätet – aber dennoch nachkommen kann.
- Aber es gibt für uns ein weiteres – uns wichtiges Thema hier anzusprechen – Das ist im weitesten Sinne die Stadtentwicklung, die uns besonders am Herzen liegt. Sie ist die Basis, auf der diese Stadt sich weiterentwickeln kann. Sie ist der Sockel für unsere Wirtschaftskraft und deren Weiterentwicklung und damit der Grundstein dafür, dass Menschen in Soest leben wollen – und auch hierher ziehen wollen. Dies ist dann auch mit der Garant dafür, dass diese Stadt ein begehrtes Mittelzentrum bleibt und nicht der Entwicklung anderer Mittelzentren folgt, deren Bevölkerungszahlen schwinden. Dies gilt es zu sichern. Hier sehen wir in der Entwicklung der letzten Jahre ein Risiko.
Wir haben vor Jahren den gesamten Bereich „Bauen“ in zwei Bereiche aufgeteilt. Einerseits die klassische Bauplanung und Stadtentwicklung – für die jetzt ein Abteilungsleiter zuständig ist – und andererseits die Gründung einer AÖR/ kommunale Betriebe Soest, mit eigener – erfahrener Betriebsleitung. Unsere Erwartungen haben sich hier nicht erfüllt.
Die erfahrene Betriebsleitung der Kommunalen Betriebe gibt es nicht mehr – der Kämmerer leitet die kommunalen Betriebe mit – die Stadtplanung und -entwicklung kann die Vielzahl der Aufgaben kaum bewältigen – Beispiele von Investorenbaumaßnahmen, denen wir nicht ausreichend Fachlichkeit gegenüberstellen konnten, zeigen, dass wir in diesem Bereich noch mehr Fachlichkeit benötigen, auch wenn das Wirken des neuen Gestaltungsbeirates hier eine ausgesprochen kompetente Hilfe ist.
Oftmals wird / muss in den ensprechenden Ausschüssen STEA, AUNK, und ZGW auf die Zuständigkeit des anderen Bereichs verwiesen werden, der dann auch noch in unterschiedlicher Hand des Verwaltungsvorstandes liegt. Dies macht Beratungsprozesse auch für Politik schwierig.
In unseren Augen lässt sich dieses Problem nur lösen, wenn wir die zweite Dezernentenstelle – die eines Technischen Beigeordneten – wieder einführen. Dieser soll dann auch wieder beide Bereiche zusammenführen. Stadtentwicklung und den Bereich der kommunalen Betriebe.
Dann bekommt die Diskussion um städtische Finanzen wieder mehr Raum. Finanzprobleme begleiten uns seit vielen Jahren und mit dem Kämmerer jemand gewählt, der unsere Finanzen auf wirtschaftlich gesunde Füße stellen soll. Bei dieser Aufgabenstellung muss er auch den Rat mitnehmen und unterjährig in die Finanzentscheidungen einbinden. Da reicht auch ein Workshop zu Finanzen nicht – insbesondere, wenn ein komplett neuer Rat wie in diesem Jahr gebildet wurde. Bearbeitung von Themen wie interkommunale Zusammenarbeit und Diskussionen über die Spielräume der verschiedenen Einnahmearten gehören auch dazu.
Manchmal ist es falsch, wenn man bei den Häuptlingen spart. Wenn man dies erkennt, muss man auch bereit sein, die Richtung zu ändern!! Dies wollen wir tun und beantragen die Stelle des Technischen Dezernenten.
Wir sind nach ausführlichen Diskussionen bereit, auf den Vorschlag des Bürgermeisters aus dem HFA einzugehen und eine ausführlich inhaltliche Diskussion zu Beginn des Jahres 2015 über das richtige Modell – Stadtbaurat oder Fachbereichsmodell und/oder Übernahme von Teilbereichen von Aufgaben durch die Stadtwerke – zu führen. Offen lösungsorientiert und zeitnah! Sollte jedoch diese Beratung zu dem Ergebnis kommen, dass die Besetzung der Stelle eines Stadtbaurates die richtige Antwort ist, sollten wir nicht auch das kommende Haushaltsjahr warten müssen. Dann sollte die Stelle ausgeschrieben werden können.
Das kann sie jedoch nur, wenn sie im Stellenplan verankert ist. Deswegen beantragen wir vorsorglich, die Stelle des Technischen Beigeordneten in den Stellenplan aufzunehmen – und als mittelfristiges Ziel die Besetzung der Stelle des Stadtbaurates für 2016 zu formulieren. Bei einem anderen Beratungsergebnis im Frühjahr kann dieses mittelfristige Ziel in der kommenden Haushaltsberatung wieder entnommen werden.
Wir verzichten auf das Jahresziel unseres Antrages – die Stelle des Stadtbaurates in der 2-ten Jahreshälfte aus zuschreiben. Eine Änderung der Hauptsatzung ließe sich dann auch im laufenden Jahr umsetzen.
Da in den Vorberatungen des Haushalts in den Fachausschüssen viele Inhalte der Themen Schule, Soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Klimaschutz für das kommende HH-Jahr breiten Raum gefunden haben, sind zurzeit für uns wichtige Weichen für die Zukunft gestellt.
Sollte es heute – bei den noch vor uns liegenden Abschlussberatungen – bei diesen Zielformulierungen keine Rolle Rückwärts geben, werden wir den HH 2015 mittragen. Diese mögliche Zustimmung zum HH darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch wir – Bündnis90/Die Grünen – weitere Aufgaben für die Zukunft sehen.
Um bei allen Zielformulierungen von Finanzen und Zukunftskonzepten das Hier und Jetzt nicht aus den Augen zu verlieren, ist es wichtig auch inne zu halten und insbesondere einen Dank an die Mitarbeiter*innen und Mitarbeiter der Verwaltung auszusprechen, die neben der sachgerechten Abarbeitung von Sachthemen jederzeit bereit sind, unsere Fragen zu beantworten und uns die notwendigen Hintergrundinformationen zukommen zu lassen.
Wir bitten den Bürgermeister, diesen Dank an die Verwaltungsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter zu übermitteln.
Meine Damen und Herren. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Anne Richter